Einmal alles anders, bitte!
1. February 2022
Marcus Spittler
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Zweitstimmenergebnis der Jungen bei der Bundestagswahl 2021

Abbildung/Figure: Zweitstimmenergebnis der Jungen bei der Bundestagswahl 2021

Große Beteiligung bei der Bundestagswahl 2021 unter den Jungen, aber mit deutlich unterschiedlichen Präferenzen. Das Wahlverhalten der jungen Deutschen im Vergleich

Die repräsentative Wahlstatistik des Bundeswahlleiters ist da. Zeit, das Wahlverhalten und vor allem die Wahlbeteiligung der jüngsten Wäher:innengruppe einmal genauer anzusehen.

Wie ja bereits aus den Medien bekannt ist, schnitten Grüne und FDP besonders gut bei den jungen Wähler:innen ab. Für die 18- bis 24-Jährigen hätte es also statt einem Kanzler-Triell durchaus ein öffentliches Duell zwischen Annalena Baerbock und Christian Lindner sein können - nur nicht unbedingt im Fernsehen, eher bei TikTok.

Auch Die Linke und die Partei der Sonstigen können bei den Jüngsten mehr Wählerstimmen als im Gesamtelektorat abholen. Ob die FDP wirklich die Gewinnerin bei den Erstwählenden war, wie die Nachwahlbefragung von infratest dimap für die ARD es meldete, kann man auf Basis der Zahlen des Bundeswahlleiters nicht sagen - so fein aufgelöst werden diese schlicht nicht erhoben. Dafür sind die Zahlen des Bundeswahlleiters - anders als Umfragedaten - als eine Stichprobe markierter Stimmzettel von besonderer Güte.

Klar ist, der Abstand zwischen Gesamtwählerschaft und den Jüngsten war bei den Grünen zwar am größten (9,2 Prozentpunkte Vorsprung), doch die FDP verdoppelte sich im Vergleich zu ihrem “normalen” Ergebnis bei jungen Erwachsenen fast (1,8-mal mehr Stimmen als im Gesamtelektorat).

Umverteilungsquote zwischen jungen und älteren Wäher:innen

Abbildung/Figure: Umverteilungsquote zwischen jungen und älteren Wäher:innen

Erstaunlich: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik hat die jüngste Wählergruppe so unterschiedlich abgestimmt. Berechnet man, wie hoch der Stimmanteil ist, den man umverteilen müsste, um aus dem Ergebnis der Jungen das Gesamtergebnis zu berechnen, so stellt man fest, dass sich dieser in den vergangenen zwanzig Jahren deutlich vergrößert hat. Musste man in den 70ern ca. 9 Prozentpunkte umverteilen, sind es bei der Bundestagswahl 2021 27,4 Prozentpunkte.1

Besonders schlecht hat bei der Bundestagswahl 2021 vor allem die Union bei jungen Erwachsenen abgeschnitten. Die CDU fällt auf den schlechtesten Wert seit 1953 und bekommt bei den Jungen 10,7 Prozentpunkte weniger. Ähnlich schlecht schneidet die SPD ab. Anders als die Union verliert sie allerdings erst seit den letzten drei Bundestagswahlen regelmäßig bei den 18- bis 24-Jährigen. Die junge SPD eines Kevin Kühnert verfängt jedenfalls nicht automatisch in dieser Altersgruppe.

Wahlentscheidung junger Erwachsener im Verhältnis zu Älteren

Abbildung/Figure: Wahlentscheidung junger Erwachsener im Verhältnis zu Älteren

Die Darstellung oben ist allerdings in einer Hinsicht schwierig zu lesen: Die Größe der Verluste und Zugewinne einer Partei bei den Jüngsten hängt auch immer von der generellen Größe der Partei ab. Daher hier unten noch einmal eine andere Darstellung, bei der ich das Stimmergebnis der Jüngsten ins Verhältnis zum Gesamtergebnis gesetzt habe. Jetzt wird klar: Grüne und FDP holen bei den Jüngsten das 1,6 bis 1,8-fache als im Gesamtelektorat. Auch Die Linke bekommt seit zwei Bundestagswahlen wieder deutlich mehr Zuspruch, während Sonstigen Parteien bei der Bundestagswahl 2021 wieder etwas verlieren bei den Jüngsten. Durch die Diversifizierung des Parteiensystems gibt es auch wieder ein Angebot für jüngere Leute in der etablierten Politik - das ist eine schöne Entwicklung, wenn man möchte, dass junge Menschen auch Einfluss haben.

Wahlentscheidung junger Erwachsener im Verhältnis zu Älteren (relativ)

Abbildung/Figure: Wahlentscheidung junger Erwachsener im Verhältnis zu Älteren (relativ)

Deutlich in dieser Grafik wird auch die ganze Malaise der Union. Die CDU schaffte 2021 nicht einmal die Hälfte ihres Zweitstimmenergebnisses bei den Jungen (43%), aber auch die vermeintlich jüngere Schwester CSU steht ihr da in nichts nach. Woran die besondere Schwäche der Union bei dieser Bundestagswahl lag, muss erst einmal offenbleiben. Wenn man bedenkt, dass bei jüngeren Wähler:innen die affektive Bindung an eine Partei, wenn überhaupt erst kurzfristig besteht, dann ist klar, dass die Wahlentscheidung stärker von kurzfristigen Faktoren, wie der Einstellung zu politischen Sachfragen (Issues) und den Kandidaten abhängt. Da der Kandidat der Union vermutlich wenig überzeugte, ist es nicht unplausibel anzunehmen, dass das Potential der Union bei dieser Wahl eher an die FDP ging. Genauer schaue ich mir das einmal in einem zukünftigen Blogpost an.

Deutlich verbessert hat sich vor allem die Wahlbeteiligung. Nach der Wiedervereinigung hatte sich der Abstand zwischen Jung und Alt von etwa sechs auf um die zehn Prozentpuntke vergrößert. Bei der Bundestagswahl 2021 zeigt sich dahingegen eine politisch aktive Jugend. Zwar ist die Wahlbeteiligung noch immer unterdurchschnittlich. Doch nur 1983 gingen mehr Junge zur Wahl.

Wahlbeteiligung der zwei jüngsten Altersgruppen im Vergleich

Abbildung/Figure: Wahlbeteiligung der zwei jüngsten Altersgruppen im Vergleich

Wer noch mehr wissen will: Andere Grafiken der gleichen Daten, vor allem einen genauere Aufteilung nach Geschlecht gibt es z.B. bei Christan Endt bei Twitter zu lesen.


  1. Die Umverteilungsquote berechnet sich aus der Summe der absoluten Abweichungen zwischen dem Zweitstimmenergebnis der Jungen und dem Gesamtelektorat, geteilt durch zwei. ↩︎